
Fragt ihr einen Lissabonner (port. “Lisboeta”) nach der Nachbarschaft Alfama, fangen seine Augen zu glänzen und sein Herz zu pochen an. Aufgeregt wird er euch den Weg dorthin zeigen, voller Vorfreude darüber, jemandem den Weg zu dieser Perle von Nachbarschaft erklären zu dürfen. In diesem Mini-Guide möchte ich euch näherbringen, wie ihr euren Alfama-Tag zu einem kleinen Abenteuer macht und euch selbst 100 Jahre in die Vergangenheit katapultiert. Macht euch gefasst auf steile Hügel, mittelalterliche Mauern einer altehrwürdigen Burg, süße Cafés und unendliche Winkelgassen.
Früher – und damit meine ich richtig viel früher, nämlich so um das 8. Jahrhundert rum – gehörte Lissabon zum Reich der Mauren, ein Volk aus Nordafrika. Besonders in der Alfama kann man diesen Einfluss auch heute noch deutlich sehen und vielleicht sogar den Geist der Vergangenheit spüren (Lissabon ist immerhin Europas zweitälteste Stadt nach Athen!). Der Charme, den man heutzutage mit der Alfama verbindet, hat viel Maurisches an sich. Sogar der Name „Alfama“ soll angeblich im Maurischen seinen Ursprung haben, „al“ ist ja bekanntlich der arabische Artikel.
Es war erst viele Jahrhunderte später im Jahr 1147, als die Christen Lissabon unter dem ersten König Portugals, Alfons I., eroberten. Trotzdem hat sich die Alfama seit damals nicht wirklich verändert. Manche Häuser sind hunderte Jahre alt, ebenso die Pflastersteine, die den Aufstieg der hügeligen Nachbarschaft erleichtern. Das steile Labyrinth unzähliger Gassen und Pfade, die enger nicht sein könnten, versprüht historisches Feeling pur. Wenn ihr euren ersten Fuß in die Alfama setzt, werdet ihr umgehend wissen, was ich meine.
Und wo könnte man diese Tour besser beginnen als an jenem Ort, an dem Alfons I. im 12. Jahrhundert die Stadt eroberte? Genau, die maurische Burg, das Castelo São Jorge ist der perfekte Ausgangspunkt, um sich in die Alfama zu verlieben. Der Aufstieg gleicht zwar einer Bergwanderung durch die Alpen, aber dafür lohnt es sich auch. Am besten vom Platz Martim Moniz aus anfangen. Der Eintritt zum Castelo kostet um die 8 Euro, aber wenn man erst mal auf den geschichtsträchtigen Festungsmauern sitzt und den atemberaubende Ausblick über die Baixa genießt, weiß man, dass es sich vollends gelohnt hat:


Nach der Burg kann nur eines folgen: sich verlieren in den vielen, verwinkelten Gässchen, welche gepickt sind mit dem in Portugal so berühmten Pflasterstein. Die Wege wirken teilweise so verwunschen, dass man sich kurz wie in einem Mittelalterfilm vorkommt. Manchmal muss man sogar kehrtmachen, passiert es doch ab und zu, dass man in einer Sackgasse endet.
Nehmt auf jeden Fall eine große Flasche Wasser zu eurem Alfama-Abenteuer mit, denn ein Kinderringelspiel ist das Durchwandern dieses Gassen-Labyrinths keineswegs. Und trotzdem werdet ihr mit so Vielem belohnt, wie z.B. dem Moment, wenn ihr fast in eine liebenswerte, portugiesische Omi hineinrennt und ihr ihr sofort ansehen werdet, dass sie noch nie in ihrem Leben woanders als in der Alfama gelebt hat. Auch anzutreffen sind diese Omis auf ihren Balkonen, von denen sie sich den neuesten Klatsch und Tratsch zuschreien. Vielleicht schimpft die eine oder andere auch irgendetwas auf Portugiesisch, aber auch das gehört auf jeden Fall zum Alfama-Charme dazu. Außer nach portugiesischen Omis sollte ihr eure Äuglein nach den typischen Fliesen, oder auch azulejos, offen halten. Sie befinden sich in jeder Gasse an fast jedem Haus und es ist nicht nur bewundernswert, wie gut erhalten diese trotz ihres Alters sind, sondern natürlich auch, wieviel Geschick und Herzblut in demjenigen Portugiesen stecken musste, der die Azulejos damals an den Wänden anbrachte.

Solltet ihr irgendwann einmal müde vom vielen Alfama-Entdecken werden, kann ich euch den nächsten Teil des Alfama-Puzzles empfehlen: Nehmt die Straßenbahn Nr. 28 und fahrt mit ihr einmal quer durch die Nachbarschaft. Dies ist zwar ur-touristisch, aber das heißt ja noch lange nicht, dass man nicht trotzdem Spaß haben kann, gell? Sucht jedenfalls eine 28er-Station auf der Hauptstraße (die ihren Namen streckenweise ändert in: Rua Augusto Rosa, Largo São Martinho, Rua Limoeiro und Rua São Tomé) und steigt in die Tram ein (egal welche Richtung) fahrt ein paar Stationen, und fahrt wieder zurück. Diese historischen, kleinen Wagen gleichen einem Weltwunder, sind sie doch die einzigen Vehikel, die den Kampf gegen die verschnörkelten Alfama-Gassen gewinnen. Und solltet ihr euch immer noch nicht sicher sein, ob sich dieses Abenteuer auszahlt, lege ich euch nochmal ans Herz: Tut es, alleine schon aufgrund der verrückt-gefährlich-waghalsigen Fahrtweise der portugiesischen Tramfahrer.
Ein anderes Highlight sind die prächtigen Aussichtspunkte in der Alfama. Da die Nachbarschaft ja bekanntlich auf einem Hügel liegt, weiß man anfangs gar nicht, wo man zuerst hinsehen soll. Hier mal die Brücke des 25. April, da mal der intensivblaue Tejo und in einer anderen Richtung ein terrakottafarbenes Dächermeer. Ja, Aussichtspunkte, oderauf portugiesisch Miradouros, gibt es wirklich nicht zu wenig hier. Zuallererst wäre da der Miradouro de Graça. Eigentlich schon in Graça liegend, einer an die Alfama angrenzenden Nachbarschaft, ist er einer der Aussichtspunkte, der auch bei den Lissabonnern sehr beliebt ist. Hier gibt’s zwar das Wasser und die Brücke „nur“ von Weitem zu sehen, dafür hat man einen unvergesslichen Blick auf das Castelo und fast die gesamte Altstadt Lissabons. Dies ist mein absoluter Favorit, wenn es um Miradouros geht.
Ein anderer Aussichtspunkt ist der Miradouro de Santa Luzia. Dieser kann wirklich sehr überlaufen sein, vor allem im Sommer. Die Aussicht ist trotzdem nicht minder bewundernswert und dieser Punkt ist auch ein wenig zentraler als der Miradouro de Graça. Der Fluss Tejo ist hier viel näher, dafür kann man das Castelo nicht sehen. Wenn es nicht nebelig ist, erscheint zu eurer Linken in der Ferne sogar die Brücke Ponte Vasco da Gama, die längste Brücke Europas!
Welcher Miradouro ist nun besser? Tolle Fotos könnt ihr jedenfalls bei beiden Aussichtspunkten schießen und auch das eine oder andere, kühle Bier geht sich auch aus.

Vom Miradouro de Santa Luzia jedenfalls ist es nicht weit bis zur ältesten Kirche Lissabons: Santa Maria Maior, oder auch schlicht Sé de Lisboa, wie die Portugiesen sie nennen. Die Kirche im romanischen Stil hat stammt aus dem Jahre 1147, als Portugal's erster König den Bau einer Kirche an genau dem Fleck, an dem früher eine Moschee stand, in Auftrag gab. Mein persönlicher Favorit an der Sé de Lisboa sind die zwei Türme, denn diese erinnern mich an eine mittelalterliche Burg. Falls ihr nicht genug von Kirchen in der Alfama bekommen könnt, marschiert einfach weiter bis zur Igreja de São Vicente de Fora und der Igreja de Santa Engrácia (Panteão Nacional).
Wenn ihr an einem Dienstag oder Sonntag in Lissabon seid, könnt ihr auch ein Tuktuk nehmen bis zum sogenannten Feira da Ladra, ein Flohmarkt in der Alfama. Tuktuks sind zwar vielleicht ein klein wenig überteuert, aber man kann ja immer ein bisschen um den Preis feilschen. Es ist zudem eine angenehme Art und Weise, in der Alfama voranzukommen, da die Tuktuks so schön schnell und wendig sind und jede noch so schmale Gasse mit links meistern. Natürlich kann man auch zum Feira da Ladra spazieren, wenn man gut zu Fuß unterwegs ist: Der Flohmarkt befindet sich nähe der Kirche Igreja de Santa Engrácia.

Wisst ihr übrigens, wann die perfekte Zeit ist, um nach Lissabon zu reisen und sich die Alfama in vollster Pracht und Blüte anzuschauen? Juni natürlich! Im Juni feiern die Lissabonner einen ihrer Stadtpatrone, den heiligen Antonius, oder auf portugiesisch Santo Antonio. Sein Zuhause war die Alfama und darauf sind die Einwohner mächtig stolz. Die Lisboates widmen dem Santo Antonio nicht nur ein Wochenende, auch nicht nur ein paar Tage. Nein, der gesamte Monat Juni wird genutzt, um ihm zu gedenken. Und wie die Lissabonner ihm gedenken. Feste, Bühnen mit Livemusik bis spät in die Nacht, Essens- und Trinkstände, Aufführungen, Workshops – im Juni gibt es in der Alfama nichts, was es nicht gibt. Eines der tollsten Dinge sind die Dekorationen in der gesamten Nachbarschaft. Fast jede noch so kleine Gasse wird aufwendig geschmückt mit Girlanden, Lampen, Schleifen und Kränzen. Außerdem ist das Essen, welches auf den Straßen verkauft wird, so authentisch wie exquisit. Sardinen, Bifanhas, Pasteis, Chorizos, hier wird jeder Grillfan glücklich. Ich kann mir meinen Juni nicht mehr ohne Santo Antonio – Fest vorstellen – und ihr solltet auch beim nächsten Mal dabei sein.
Ihr wisst nicht, wohin ihr in Lissabon essen gehen sollt? Schaut mal bei meiner kleinen Analyse über die verschiedenen Food-Markthallen in der Stadt vorbei. Bis dann!
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Harald (Mittwoch, 26 Juli 2017 11:18)
Liebe Stef-Chef, da ist dir wieder eine sehr persönliche und entzückende Schilderung über die Nachbarschaft Alfama gelungen. Mit kurzen aber informativen historischen Hinweisen und Fotos die wirklich Lust machen dort hin zu fahren, um sich mehr anzusehen.
Gratuliere